Bessere Schule Jetzt! war bei einem hochrangigen Runden Tisch, der von der Lebenshilfe organisiert wurde, eingeladen. Wohltuend war für uns die Erfahrung erstmals mit unseren Forderungen nach echter Inklusion und dem Erhalt der Integrations-Mehrstufenklassen Rückendeckung gegenüber der Politik zu bekommen.
Beim Runden Tisch am 26. April 2022 im Rathaus waren Bildungsstadtrat Wiederkehr und seine Bildungsreferentin Pollak, aus der Bildungsdirektion Wien Heinrich Himmer, Rupert Corrazza und Robert Stiedl, weiters Grüner Gemeinderatsabgeordneter Felix Stadler, Neos Nationalratsabgeordnete Fiona Fiedler, Präsident der Lebenshilfe Österreich Germain Weber, weiters Martin Hochegger und Carina Pimpel von der Lebenshilfe Österreich. Bessere Schule Jetzt war vertreten durch Dagmar Schöberl, Monika Gebetsberger und Angie Weikmann. *
Beim Treffen ging es um zwei große Themen:
- die Lebenshilfe wollte sich bei den politisch Verantwortlichen über den Stand der Integrations-Mehrstufenklassen erkundigen, weil sie durch unsere Initiative auf die unzureichende Ressourcenzuteilung dieser Klassen alarmiert wurde.
- Zukunftsperspektiven inklusiver Bildung in Österreich und Ausblick auf die Entwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung zur Erreichung der Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention.
Lebenshilfe betont wie wertvoll und notwendig die integrativen Mehrstufenklassen (iMSKs) für echte Inklusion sind!
Wir bekamen also, wie schon zuvor von Lobby4Kids, wohltuende Unterstützung für unsere Anliegen von einer großen anerkannten zivilgesellschaftlichen Organisation wie die Lebenshilfe es ist. Wir merkten sofort, dass der Ton der Verantwortlichen in Wien ein anderer wurde. Die Lebenshilfe betonte, dass der Unterricht in altersübergreifenden Klassen nachweislich und international bestätigt DAS richtige pädagogische Konzept für die echte Inklusion von Kindern mit besonderen Bedürfnissen ist, wenn sie mit den nötigen Personalressourcen ausgestattet sind. Sie kündigte auch an, sich in weiterer Folge bei der Bildungsdirektion zu erkundigen, ob die notwendigen Teamstunden auch wirklich zur Verfügung gestellt werden.
Von Seiten der Bildungsdirektion und Stadtrat Wiederkehr, kam das Bekenntnis zu dieser Unterrichtsform, aber wieder keine konkrete Stundenzusage. Zuerst müsse man abwarten, wie viele Mittel vom Bund zur Verfügung stehen werden. Bis heute ist dies übrigens immer noch nicht klar.
Wir als Initiative sind aber vorsichtig zuversichtlich, dass mit solch prominenter Unterstützung ein weiteres Kürzen, politisch nicht tragbar wäre.
Bleibt abzuwarten, ob in der Zwischenzeit nicht doch noch viele iMSKs in der Praxis aufgelöst werden, weil die Situation so unklar und ein ständiges Zittern um Mittel untragbar sind.
Echte Inklusion sieht anders aus – es ist noch ein langer Weg dorthin
Wir konnten an dem Runden Tisch unserer Sorge und auch Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass echte Inklusion im Schulalltag immer schwieriger gemacht wird. Statt Anreize für Schulen zu schaffen, inklusiv zu arbeiten, werden den Schulen, die darum bemüht sind, Prügel in den Weg geworfen.
Im Prinzip waren sich alle Anwesenden einig, dass die Rahmenbedingungen eher schlechter als besser werden: Wiedereinführung der Ziffernnoten, größere Klassen, mehr Kinder mit Behinderungen in den Klassen, zu wenig Ressourcen um Kinder mit Lernschwierigkeiten bestmöglich zu unterstützen…
Diese Einigkeit ist zwar schön, für uns als Initiative aber auch frustrierend, weil wir nicht anders können als zu denken (und beim Runden Tisch auch zu fragen): „Warum geht dann nicht endlich was weiter in dem Bereich?! Woran scheitert es?!“
Antworten auf diese Frage waren nur bedingt vorhanden: Es brauche genauere Datenlage um politisch präzise zu handeln, es gäbe gewisse politische Kräfte im Land, die sich gegen mehr Mittel für Inklusion und das Auflösen von veralteten Strukturen beständig wehren (z.B. reine Sonderschulen, nicht inklusive höhere Schulen, Aussieben und Trennen der Schüler:innen mit 6, 10 und 14 Jahren).
Bewegen konnten wir in der prominent besetzten Runde mit unserem Statement und Verweis auf Nelson Mandela der sagte, dass jeder Mensch die Aufgabe, ja die Pflicht hat zu leuchten! Herauszufinden wo er/sie Talente hat und zu leuchten! Das ist Inklusion! Und Inklusion braucht Beziehung, braucht kontinuierliche Begleitung und Betreuung. Und das braucht eben Mittel. Diese Haltung kommt allen Kindern zu Gute! Den Hochbegabten, den Mittelbegabten und den Tiefbegabten**. Den Ibrahims mit 8 Geschwistern und kriegstraumatisierten Eltern, den Jaquis mit der Mutter, die funktionelle Analphabetin ist, den Oskars mit chronischer Erkrankung, der Chennai, die im 6. Schuljahr gerade zählen lernt, dem Bernhard, Pflegekind mit ADHS, aber ohne SPF, der Fariba, die unerkannt hochbegabt ist.
All diese Kinder, sind dazu bestimmt zu leuchten und Aufgabe der Gesellschaft ist, sie dabei zu begleiten und mit allen Kräften zu unterstützen!
Das ist unsere tiefste Überzeugung und dafür werden wir weiter nach Verbündeten suchen und weiter kämpfen.
*Eingeladen waren die Bildungssprecher:innen aller Bundesparteien und auch Barbara Gullner vom Bildungsministerium. Leider waren diese erkrankt, anderwärtig verhindert, haben sich zum Teil gar nicht gemeldet oder kurzfristig abgesagt… Bildungsdirektor Himmer musste pünktlich gehen und ist deswegen nicht am Foto, das nach dem Treffen entstanden ist.
**frei nach Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und die Tieferschatten, 2008